„Das erste Wirken einer Begleitung ist ihr Sein,
das Zweite was sie tut
und das Dritte erst was sie sagt.“
(frei nach Romano Guardini)

Mein Brief aus der Zukunft
Liebe Michaela,
ich konnte es kaum erwarten in die Schule zu kommen. Endlich hat mal jemand gaaaanz viel Zeit für mich. Und weißt du wer? Der nennt sich Lehrer! Also das ist seine Berufsbezeichnung. Doch ich fühlte, dass es für ihn weit mehr war als das. Er freut sich immer so, wenn er uns von seinen vielen Dingen erzählen kann, die man „Geschichte und Politik“ nennt. Und ich habe viele solche Lehrer und Lehrerinnen. Vor allem mit den Lehrerinnen konnte ich während meiner Pubertät gut reden. Oh Mann, war meine Mama da anstrengend. Und mein Papa, der war total verkrampft, weil ich mich mit Jungs traf.
Michaela, ich sag dir was: Also, der Abnabelungsprozess meiner Eltern von mir war echt anstrengend. In dieser Zeit konnte ich echt wenig lernen und mich super schlecht konzentrieren. Aber meine Lehrerin verstand das voll.
Ich bin echt froh, dass bei uns die Schule erst um 9 Uhr morgens beginnt. Mir ist das egal, ob ich bis nachmittags dort sein soll. Es gibt so viel zu lernen. Und ich geh morgens ausgeruht hin, hab viel Zeit für meine Fragen und vor allem: ich bekomme Antworten.
Wenn meine Mama mir von ihrer Schulzeit erzählt – da wird’s mir ganz anders. Das muss ja furchtbar gewesen sein. Wie gut, dass das Unternehmen „Schule“ sich entwickelt hat. Ich meine, wo wäre denn da unser Wissensstand heute? Wie wäre unser Miteinander heute, wenn ich nicht die Wertschätzung, Wahrnehmung und Gleichberechtigung in der Schule erfahren hätte. Die Erziehungsarbeit meiner Eltern wäre ja vollkommen für die Tonne gewesen.
Und die Unternehmen. Was haben sie heute für strapazierfähige, leidenschaftliche und glückliche Auszubildende und Mitarbeitende? Sie arbeiten mit so viel Spaß und Interesse, dass sie oft länger bleiben als sie müssten. Sie wissen aber auch, dass sie einen Ausgleich von der Arbeit brauchen. Die halbjährlichen Ausflüge und Werksbesichtigungen in die anderen Länder bringen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit zusammen. Durch die Kostenübernahme von Flügen und Hotels durfte meine Mama ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen in Kanada kennenlernen. Heute sind sie enge Freundinnen. Mein Papa hat so endlich seinen Traumjob im Ausland gefunden. Die Welt ist heute echt viel besser verbunden als in der Zeit von meinen Eltern.
Heute ist Gottseidank unwichtig, welche Hautfarbe ich habe, mit wem ich Kinder und mit wem ich Sex habe. Die Menschen sind heute tatsächlich viel glücklicher und werden dadurch viel älter. Das finde ich mega!!
So, jetzt habe ich aber genug aus der Vergangenheit geplaudert. Ab jetzt zum Arbeiten, ach, ich meine, meinen Jugendlichen beim Bewerbungsvorsprechen helfen. Denn das Bewerbungsschreiben gibt es nicht mehr so wie bei Mama. Heute filmen wir und senden es an die Unternehmen, von denen wir denken, dass sie uns mögen, brauchen und fördern. Zack, und schon darf ich zum persönlichen Kennenlernen kommen. Eine gute Sache – die Zoombewerbung!
Liebe Grüße
Deine Michaela